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Die Anlage der Victoria-Speicher wurde ins Leben gerufen durch das von Jahr zu Jahr sich steigernde Bedürfniss nach Lagerräumen für Getreide, Spiritus und Oel.
Die Baulichkeiten, welche in Berlin bisher für diesen Zweck hauptsächlich benutzt wurden, sind entweder überhaupt nicht ursprünglich zu Lagerräumlichkeiten bestimmt, wie unter anderen die früheren Werkstätten der Norddeutschen Fabrik für Eisenbahnbedarf, oder sie sind nicht durchaus zweckentsprechend eingerichtet und mit ungenügenden Straßen-, Wasser- und Eisenbahn-Verbindungen versehen.
Obwohl der Getreidehandel Berlins seit Jahrzehnten am Mangel genügender Speicheranlagen leidet, blieben doch alle bisher auf Abhülfe zielende Entwürfe, selbst die , welche sich der lebhaftesten Unterstützung der gesammten Kaufmannschaft erfreuen, unausgeführt. Getreideposten wurden beim Besitzerwechsel von Speicher zu Speicher geschleppt und verursachten ungewöhnliche Lager-Transport- und Arbeits-Kosten.
Als daher eine neue Verwerthung der großen Grundstücke No. 24-26 der Köpnicker Straße, auf welchen früher die Goldschmidt´sche Kattunfabrik stand, in Frage kam, erschien es jenen Verhältnissen gegenüber als die günstigste Lösung, hier eine Speicher Anlage zu schaffen – umfangreich genug, um so ziemlich den Bedarf des gesammten Getreidehandels von Berlin aufzunehmen und dergestalt eingerichtet, dass die Bodennahme, Lagerung und Bearbeitung der Frucht die möglichst geringsten Kosten verursache. -
Die bezeichneten Grundstücke haben bei 173,0 m Wasserfront ca. 21 200 qm Flächeninhalt. Es sind darauf vorerst drei Speichergruppen mit einer Grundfläche von pp. 7000qm erbaut worden, so dass die Anlage in Kellern und 5 Böden 42 000qm, mithin eine Lagerfläche für 275 000 bis 400 00 hl darbietet. Von der Einrichtung mit Silos musste gegenüber den Geschäftsusancen des hiesigen Getreidehandels Abstand genommen werden. -
Die Gebäude sind im Aeußern in Ziegelrohbau, im Innern mit Holzböden auf eisernen Trägern und dergl. Säulen in Axen von 465m konstruirt und mit Zement-papp-Dächern eingedeckt. - Pförtnerhaus, Dampfkessel- und Maschinenhaus sowie Werkstattgebäude, welches die Böttcherei, Aufenthalts- und Wirtschaft-Räume und die Klosets für die Arbeiter enthält, vervollständigen die Speicher-Anlagen, zu deren Erweiterung das Grundstück noch ausgedehnte Flächen, namentlich die lange Vorderfront an der Köpnicker Straße, frei läßt.
Unterhandlungen über die Einführung eines Anschlusses an das Gleis der alten Verbindungsbahn, welches zwischen dem Königl. Niederschlesisch-Märkischen und dem Görlitzer Bahnhof noch in Betrieb ist, sind eingeleitet und würden der Speicher-Anlage die Verbindung mit den Haupteisenbahnen geben, welche, wenngleich nicht unbedingt erforderlich, so doch im hohem Grade wünschenswert ist.
Die bauliche Anordnung von Speichern mit Horizontalböden bietet im allgemeinen wenig interessante technische Momente. Die einfachen Forderungen der Zweckmäßigkeit würden unschwer zu erfüllen sein, wenn die baupolizeilichen Bestimmungen dem Techniker nicht Schwierigkeiten aller Art in den Weg legten.
Wo große freie Böden mit starkem durchgehenden Luftzug gebraucht werden, müssen Brandmauern mit fest schließenden eisernen Thüren in Entfernungen von 30 – 40 m die Gebäude von unten bis oben theilen. Wo einfache hölzerne Treppen, von Boden zu Boden aufgehend zweckentsprechend und billig herzustellen wären, ist die unbequeme und kostspielige Anlage steinerner Treppen in massiven Treppenhäusern vorgeschrieben. Die Hebung von Boden zu Boden durch Fahrstühle und Sackwinden in freien Oeffnungen wird unmöglich gemacht durch die Anforderung massiver mit eisenern Thüren versehener Umschließung jedes Aufzugsschachtes.
Durch derartige Vorschriften wird leider der Bau solcher industriellen Etablissements bei uns vertheuert, ihr Betrieb unbequem gemacht und die Bauanlage im Vergleich mit fremdländischen Werken, die gleichen Beschränkungen nicht unterliegen, dem Vorwurf schwerfälliger und unpraktischer Konstruktion ausgesetzt. -
Eine Mitteilung über die zum Betriebe der Speicher dienende Maschine-Anlage wird in selbstständiger Form nachgetragen werden.